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Befristete Arbeitsverträge: Wann sind Kettenbefristungen rechtsmissbräuchlich?

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht Dr. Elke Scheibeler Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht Dr. Elke Scheibeler

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht Dr. Elke Scheibeler informiert über aktuelle Rechtsprechung zu befristeten Arbeitsverträgen.

Arbeitnehmer mit befristeten Verträgen denken seit einiger Zeit über die Wirksamkeit der unterzeichneten Befristungsabrede nach. Die deutschen Gerichte haben nämlich vielfältige Zweifel an der Wirksamkeit einiger Vorschriften des deutschen Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) geäußert. Über einen solchen Fall hatte am 26.01.2012 der Europäische Gerichtshof zu entscheiden. Das deutsche Bundesarbeitsgericht hatte ihm am 17.11.2010 eine Vorabentscheidungsfrage zum deutschen TzBfG vorgelegt, die dort unter dem Aktenzeichen C-586/10 und dem Namen der Klägerin „Kücük“ beantwortet worden ist.
In diesem Fall ging es um 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG. Danach kann ein Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt werden. Ist also ein Arbeitnehmer schwer erkrankt oder – wohl der häufigste Fall – in Mutterschutz oder Elternzeit, kann der Arbeitgeber befristet Ersatz einstellen, und nach der Rückkehr des Vertretenen ohne Risiko wieder entlassen.
Ausgiebig Gebrauch von dieser Vorschrift machte in entschiedenen Fall das Land NRW im Bereich der Justizverwaltung. Die Klägerin war im Zeitraum von Juli 1996 bis Dezember 2007 als Justizangestellte auf der Geschäftsstelle des AG Köln beschäftigt aufgrund von insgesamt 13 befristeten Arbeitsverträgen. Die Befristungen dienten jeweils der Vertretung von verschiedenen in Elternzeit oder im Sonderurlaub befindlichen Arbeitnehmern. Da die Zahl der Geschäftsstellenmitarbeiter bei dem Kölner Amts- und Landgericht in die Hunderte geht, könnte das Land ohne Risiko eine Anzahl fest angestellter „Springer“ beschäftigen.
Nach bisher ständiger Rechtsprechung des BAG kann sich ein Arbeitgeber bei einer Befristung auf den Sachgrund der Vertretung auch dann berufen, wenn bei ihm ständig Arbeitskräfte ausfallen und der Vertretungsbedarf auch durch unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer abgedeckt werden könnte. Hieran hatte das BAG Zweifel. In der Richtlinie 1999/70 EG befindet sich nämlich als Anhang die EGB-UNICE-CEEP Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge. Dort verpflichten sich in § 5 die Mitgliedstaaten, Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge zu vermeiden, und ein solcher könnte im entschiedenen Fall vorliegen.
Der EuGH hatte diese Zweifel in seiner Entscheidung nunmehr zerstreut. § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG an sich verstoße nicht gegen das Gemeinschaftsrecht. Der vorübergehende Arbeitskräftebedarf eines Arbeitgebers im Falle einer Vertretung sei grundsätzlich ein sachlicher Grund im Sinne der EGB-UNICE-CEEP Rahmenvereinbarung. Es sei insbesondere auch ein legitimes Ziel, es im Falle der Elternschaft den Arbeitnehmern zu ermöglichen, berufliche und familiäre Interessen gleichermaßen zu berücksichtigen, indem sie nach einer Pause wieder auf ihren Arbeitsplatz zurück zu kehren können.
Der bloße Umstand aber, dass ein Arbeitgeber einen Vertretungsbedarf auch mit fest angestellten Arbeitnehmern decken könnte, sich aber entschließe, den jeweiligen Vertretungsbedarf mit befristet Angestellten zu decken, bedeute aber nicht, dass dieser Arbeitgeber rechtsmissbräuchlich im Sinne der EGB-UNICE-CEEP Rahmenvereinbarung handele. Die Mitgliedstaaten seien nicht verpflichtet befristete Arbeitsstellen in unbefristete umzuwandeln, auch wenn aus der Größe des Unternehmens oder der Verwaltung geschlossen werden könne, dass ständig Arbeitnehmer wegen Krankheit oder Elternzeit längere Zeit vertreten werden müssen. Wenn ein sachlicher Grund vorliege, sei ein Missbrauch grundsätzlich ausgeschlossen. Allerdings sei bei der Prüfung, ob ein sachlicher Grund vorliegt, die Anzahl und Dauer der bisher geschlossenen befristeten Verträge zu berücksichtigen.
Der Fall wurde zur endgültigen Entscheidung an das Bundesarbeitsgericht zurück verwiesen, das mit Urteil vom 18.07.2012, 7 AZR 443/09, die Wirksamkeit der letzten Befristung unter diesen Vorgaben beurteilt hat. Diese Entscheidung ist zugunsten der Klägerin ausgefallen, das anders lautende Urteil des LAG Köln vom 15.05.2009, 4 Sa 877/08 wurde aufgehoben. Ausweislich der Pressemitteilung nahm das Bundesarbeitsgericht an, dass die Befristung trotz Vorliegen eines sachlichen Grundes wegen rechtsmissbräuchlicher Nutzung der an sich eröffneten rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten unwirksam war. Ein solcher Rechtsmissbrauch liege nur ausnahmsweise vor, an diesen seien hohe Anforderungen zu stellen. Hierbei seien alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere Gesamtdauer und Anzahl der in der Vergangenheit mit demselben Arbeitgeber geschlossenen Verträge zu berücksichtigen. Ein solcher liege vor, da die Klägerin insgesamt 11 Jahre aufgrund von 13 Arbeitsverträgen befristet beschäftigt war, was dafür spreche, dass das beklagte Land die gesetzlich erlaubte Vertretungsbefristung ausgenutzt habe.
Der Rechtsstreit ist für die Klägerin hiermit aber immer noch nicht beendet, da der Fall jetzt an das Landesarbeitsgericht Köln zurückverwiesen wurde. Das beklagte Land soll noch Gelegenheit haben Umstände vorzutragen, die der Annahme des an sich indizierten Rechtmissbrauchs entgegenstehen.
Am gleichen Tag wurde eine andere Klage abgewiesen, bei der es ebenfalls um eine Kettenbefristung zu Vertretungszwecken ging, 7 AZR 783/10. Die dortige Klägerin war vom 01.03.2002 bis zum 30.11.2009 aufgrund von vier jeweils befristeten Arbeitsverträgen bei einem Einzelhandelsunternehmen zur Vertretung eines in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmers tätig gewesen. In diesem Fall lag angesichts der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses und der Anzahl der Befristungen nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts kein Rechtsmissbrauch vor.
Kettenbefristungen zu Vertretungszwecken sind somit grundsätzlich zulässig, gleichwohl sollten sich Arbeitnehmer beraten und die Wirksamkeit ihrer befristeten Anstellung prüfen lassen, wobei dann jeweils zu prüfen ist, ob ein sachlicher Grund vorliegt. Bei diesem muss dann auch das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs geprüft werden, wobei das Bundesarbeitsgericht jetzt einige Anhaltspunkte geliefert hat.


 

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