Medem-Gruppe: Von den Synergien profitieren Heimbewohner, Anwohner und Betreiber
02. November 2021
Die Kombination aus Senioren- und Behindertenzentrum, wie es die Medem Real Care GmbH derzeit in Rosdorf bei Göttingen realisiert, ist einzigartig.
Wieso es sieben Jahre bis zur Eröffnung gedauert hat, wem damit ein Denkmal gesetzt wurde und vor allem, wer von dem neuartigen integrativen Ansatz profitieren wird, darüber berichtet Hella Kroll, Inhaberin und Geschäftsführerin der Medem-Gruppe, im Interview.Frau Kroll, Ihr Unternehmen ist seit 20 Jahren in der Altenpflege aktiv, von der Projektentwicklung bis zum Betrieb von Seniorenheimen. Wie ist aber die Idee entstanden, ein Zentrum für schwer behinderte Menschen ab 18 Jahren zu eröffnen?
In Rosdorf gibt es eine engagierte Elterninitiative für mehrfach behinderte Kinder, die sich schon immer eine Einrichtung für ihre Kinder im eigenen Wohnort gewünscht hat. Vor Jahren ist sie mit diesem Wunsch an Mirko Paul herangetreten, der damals ein großes Göttinger Seniorenheim leitete und heute der Leiter des neuen Hauses Mühlengrund der Medem Real Care GmbH ist. Herrn Paul war bekannt, dass mein Mann - Hans-Georg Kroll - Pflegeheime projektierte, und brachte ihn auf die Idee, eine Einrichtung für schwer behinderte junge Erwachsene in Verbindung mit Seniorenpflege zu gründen. Da unser Metier die Altenpflege ist, lag eine Kombination nahe.
Die ersten Planungen begannen schon 2014. Wieso konnten Sie erst jetzt, im Herbst 2021, das Haus Mühlengrund mit 82 Plätzen für Senior:innen eröffnen und das angeschlossene Haus Weitblick für 35 Menschen mit Behinderung voraussichtlich erst Anfang 2022?
Einerseits konnte das niedersächsische Landessozialamt das integrative Zentrum unter einem Dach, wie es uns anfänglich vorgeschwebt hat, aufgrund von restriktiven Bestimmungen im Sozialgesetzbuch nicht genehmigen. So mussten wir umdisponieren und zwei nebeneinanderliegende Häuser planen. Gravierender war aber, dass mein Mann 2017 überraschend verstarb, genau zwei Monate nach Erwerb des Grundstücks. Das traf uns so unvorbereitet, dass wir erst ein Jahr später die Arbeit an dem Projekt wieder aufnehmen konnten.
Die Einweihung von Haus Mühlengrund muss ein sehr bewegender Moment gewesen sein…
Ja, natürlich. Erst jetzt wurde mir klar, wie sehr ich mich in den vergangenen Jahren auf die Eröffnung dieses Heimes konzentriert habe. Dieses Herzensprojekt meines Mannes nun endlich realisiert zu haben, bedeutet uns sehr viel. Denn ohne ihn und sein Engagement hätte es dieses Zentrum niemals gegeben. Daran erinnern ein Bild von ihm und eine Plakette, die wir am Eröffnungstag eingeweiht haben.
Elf Plätze im Seniorenheim waren bereits nach einer Woche belegt. Bis Mitte nächsten Jahres planen Sie konservativ mit einer Auslastung von 75 Prozent. Ab wann können sich Interessenten denn für das Haus Weitblick anmelden?
Am besten ab sofort. Es gibt jetzt schon eine Warteliste, auf der natürlich viele Kinder aus der Rosdorfer Elterninitiative stehen. Aber wir haben auch schon Bewerber:innen zum Beispiel aus Braunschweig. Priorität haben natürlich die Härtefälle. Bei uns werden Menschen wohnen, die einen deutlichen Pflegebedarf haben.
Wie erklären Sie sich dieses drängende Interesse?
In den vielen Planungsgesprächen mit der Elterninitiative sind uns die Ängste der pflegenden Eltern immer bewusster geworden. Die Sorge, was mit ihren Kindern passiert, wenn sie selbst einmal alt und auf Hilfe angewiesen sind, ist groß. Zwar erreichen nicht alle so stark behinderten Kinder ein hohes Alter, doch kommt es natürlich vor. Und was dann? Mir ist bislang kein einziges Heimangebot bekannt, das die besonderen Bedürfnisse solcher Familien mit behinderten Kindern erfüllt. Darum freuen wir uns sehr, den betroffenen Müttern und Vätern nun zusichern zu können, dass sie auf der Warteliste für einen Platz im Haus Mühlengrund ganz oben stehen werden.
Wie werden die Berührungspunkte der Bewohner aussehen?
Wir planen viele gemeinsame Veranstaltungen, zum Beispiel in unserem Restaurant "Kleine Auszeit", das auch allen Rosdorfer:innen zum Mittagessen oder für Feiern offensteht. Unser integrativer Ansatz reicht nämlich über das Zentrum hinaus und soll explizit auch die Anwohner:innen miteinbeziehen. Die jungen Leute, die dazu in der Lage sind, dürfen im Restaurant mitarbeiten und kommen so mit den Gästen in Kontakt. Außerdem werden sich die Bewohner:innen beider Häuser auf unserem Sportparcours mit seniorengerechten Sportgeräten begegnen, wo wir gemeinsame Angebote planen.
Wie profitieren Sie als Betreiber von der Kombination beider Heime?
Wir können zahlreiche Synergien nutzen, etwa dadurch, dass das Ruf- und Leitsystem sowie die Telefonanlage der Häuser miteinander verbunden sind. So kann jeder Notruf immer entgegengenommen werden, auch wenn wir die Nachtwache unter dem Personal aufteilen. Doch natürlich müssen beide Häuser 24/7 besetzt sein. Wie genau sich der Alltag in einem integrativen Senioren- und Behindertenzentrum gestalten wird, wie man die individuellen Vorstellungen der Familien am besten berücksichtigen kann - in all dies müssen wir uns auch erst einfinden. Denn als Pioniere können wir natürlich nicht auf jahrelange Erfahrung anderer zurückgreifen.
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