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§89 VAG - "Kapitalvernichtende" Lebensversicherung - Ergänzung

Ratgeberverein für Finanzen e.V. Ratgeberverein für Finanzen e.V.

Unsere Meldung vom 22.07.2013 - Berichtigte Darstellung

Liebe Verbraucher, liebe Freunde des Ratgebervereins, liebe Leserinnen und Leser,

Personen der Versicherungs- und Finanzdienstleistungsbranche haben die Darstellung in unserer Pressemitteilung 22.07.2013 moniert. Deshalb nehmen wir sie erneut auf und berichtigen diese – ohne jegliche Schuldanerkenntnis -, sodass sie allen Meinungen umfangreich gerecht wird. Das liegt uns selbstverständlich am Herzen. So haben wir in unserer Meldung dargestellt, dass der §89 VAG erst 2005 neu eingeführt wurde. Dies bedarf der Korrektur, die wir hiermit gerne vornehmen. Denn nichts ist wichtiger als die Wahrheit und das Jahr 2005 ist nicht das Jahr, in dem das Gesetz eingeführt wurde. So einfach ist das, auch wenn diese Information aus unserer Sicht nicht wesentlich war und ist.

Die Bestimmung des § 89 VAG soll, anders als man in unsere Meldung § 89 VAG – "Kapitalvernichtende" Lebensversicherung vom 22.07.2013, irrtümlich hineininterpretieren könnte - keine Reaktion des Gesetzgebers auf die aktuelle Entwicklung des Finanzmarktes sein. Damit Missverständnisse vermieden werden, hier noch einmal in aller Deutlichkeit auch für alle Marktteilnehmer der Finanz- und Versicherungsbranche:

Wir wollten und haben nicht den Eindruck erwecken, dass die Regelung des § 89 erst seit Kurzem (2005) besteht, da sie aus der Not heraus, aufgrund eines abzusehenden "Zusammenbruchs" des Systems der kapitalbildenden Lebensversicherung, geboren wurde. Sie existiert seit vielen Jahren, nämlich seit 1901. Das zeitweilige Zahlungsverbot resultiert aus § 69 Abs. 1 Satz 3 VAG a. F. Die damalige Regelung ist nicht jedem sofort verständlich; deshalb möchten wir sie hier darlegen.

Auch wenn es uns kaum mehr verständlich erscheint - "Regelung von früher":
Gemäß § 69 Abs. 2 VAG a. F. war die zuständige Aufsichtsbehörde berechtigt, "nötigenfalls die Verpflichtungen einer Lebensversicherungsunternehmung aus ihren laufenden Versicherungen, dem Stande ihres Vermögens entsprechend, jedoch um höchstens dreiunddreißig ein drittel Prozent, zu ermäßigen." In der Gesetzesbegründung hieß es dazu, dass "in den Kreisen der Fachmänner Werth (sic)darauf gelegt wird, das (sic) die Aufsichtsbehörde in die Lage gesetzt wird, im Interesse der Versicherten unter Umständen dem Konkurs einer nothleidenden (sic) Anstalt vorzubeugen, indem sie in die Verwaltung der Anstalt eingreift und durch Sanierungsmaßregeln die sonst gefährdete Durchführung der übernommenen Versicherungen möglich macht".  Die Bestimmungen des § 69 VAG a. F. sollen also dem "Bedürfnis einer thunlichsten (sic) Sicherstellung der Versicherten abhelfen". 

In das Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen und Bausparkassen vom 6.  Juni 1931  ging die Vorschrift des § 69 VAG a. F. in § 89 VAG auf. Die letzte – eher marginale – Änderung des § 89 VAG erfolgte im April 2004.  Seitdem hat sich am Bestand der Norm nichts geändert. Vgl. beispielhaft zum Rechtsstand 1994: http://www.recht-in.de/gesetz/_paragraph_89_vag_versicherungsaufsichtsgesetzes_gegenueberstellung_29-07-1994_317608.html

Kurz gesagt: Es fehlt Geld – was dann?
Wir verstehen das subjektiv so: Positives Ziel des § 89 VAG ist die Gleichbehandlung aller Gläubiger, wenn zeitweilig die Gelder nicht ausreichen, um alle anstehenden LV-Auszahlungen zu erfüllen. Das heißt, wenn zu wenig Geld da ist und dem Versicherer die Insolvenz droht, wie es bei jedem anderen Unternehmen auch vorkommen kann. So soll bei der Schieflage eines Versicherungsunternehmens keiner, der noch Geld bekommt, bevorzugt oder benachteiligt werden. Das ist positiv, bedeutet aber auch, dass die Auszahlung für denjenigen, der darauf wartet, verspätet, geringer oder gar nicht erfolgen kann.


Vorteil generell für ein Unternehmen
Das Unternehmen, das nicht alle Forderungen bedienen kann, hat parallel Zeit, um die finanziellen Mittel/Finanzen zu ordnen, die auf den ersten Blick fehlen. Im Verlauf dieses Vorgangs wird entschieden, inwieweit der Geschäftsbetrieb wieder ohne Störungen aufgenommen werden oder ob es eine Einigung mit den Gläubigern geben kann, wenn sie auf die zugesagten Gelder verzichten.

Eine Pauschalaussage ist nicht möglich
Gleichermaßen sollte nicht der Eindruck erweckt werden, dass der demografische Wandel zu einem angeblich abzusehenden "Zusammenbruch" des Systems der kapitalbildenden Lebensversicherung zwingend führt und die Insolvenz jedem Versicherungsunternehmen mehr oder weniger unweigerlich droht. Wie immer: Jedes Unternehmen ist für sich zu betrachten und pauschale Aussagen, auch über Banken und Versicherungen, sind generell nicht möglich. Schließlich liegt es an der Wirtschaftlichkeit eines jeden Versicherers, ob überhaupt und wie weit der §  89 VAG Auswirkungen haben kann. Hier der vollständige Gesetzestext.

Hier der Gesetzestext im Wortlaut:

VAG  § 89 Zahlungsverbot; Herabsetzung von Leistungen

(1) Ergibt sich bei der Prüfung der Geschäftsführung und der Vermögenslage eines Unternehmens, dass dieses für die Dauer nicht mehr imstande ist, seine Verpflichtungen zu erfüllen, die Vermeidung des Insolvenzverfahrens aber zum Besten der Versicherten geboten erscheint, so kann die Aufsichtsbehörde das hierzu Erforderliche anordnen, auch die Vertreter des Unternehmens auffordern, binnen bestimmter Frist eine Änderung der Geschäftsgrundlagen oder sonst die Beseitigung der Mängel herbeizuführen. Alle Arten Zahlungen, besonders Versicherungsleistungen, Gewinnverteilungen und bei Lebensversicherungen der Rückkauf oder die Beleihung des Versicherungsscheins sowie Vorauszahlungen darauf, können zeitweilig verboten werden. Die Vorschriften der Insolvenzordnung zum Schutz von Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen sowie von dinglichen Sicherheiten der Zentralbanken und von Finanzsicherheiten finden entsprechend Anwendung.

(2) Unter der Voraussetzung in Absatz 1 Satz 1 kann die Aufsichtsbehörde, wenn nötig, die Verpflichtungen eines Lebensversicherungsunternehmens aus seinen Versicherungen dem Vermögensstand entsprechend herabsetzen. Dabei kann die Aufsichtsbehörde ungleichmäßig verfahren, wenn es besondere Umstände rechtfertigen, namentlich, wenn bei mehreren Gruppen von Versicherungen die Notlage des Unternehmens mehr in einer als in einer anderen begründet ist. Bei der Herabsetzung werden, soweit Deckungsrückstellungen der einzelnen Versicherungsverträge bestehen, zunächst die Deckungsrückstellungen herabgesetzt und danach die Versicherungssummen neu festgestellt, sonst diese unmittelbar herabgesetzt. Die Pflicht der Versicherungsnehmer, die Versicherungsentgelte in der bisherigen Höhe weiterzuzahlen, wird durch die Herabsetzung nicht berührt.

 

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