Thema Betreuungsrecht: Psychisch kranke junge Erwachsene - Die Rechtslage für die Eltern
10. Juni 2024
Frau Rechtsanwältin Susanne Kilisch von der Kanzlei Prof. Dr. Thieler - Prof. Dr. Böh - Thieler RA GmbH beantwortet die Frage der Rechtslage für die Eltern von psychisch kranken jungen Erwachsenen.
Die Tatsache, dass jeder Volljährige mit Eintritt des 18. Lebensjahres für sich selbst verantwortlich ist und die gesetzliche Vertretungsmacht für die Eltern ab diesem Zeitpunkt wegfällt, ist vielen Familien nicht bewusst. Dass es zum Ausschluss eines Betreuungsverfahrens für den Krankheitsfall dringend erforderlich ist, eine gut beratene Vorsorgevollmacht zu errichten, verorten die meisten Menschen zeitlich immer noch ins mittlere bis hohe Alter.Fatale Auswirkungen kann diese Nachlässigkeit im Falle einer psychischen Erkrankung in jedem Alter auslösen - selbstverständlich auch für junge Erwachsene (und ihre Familien).
Einleitend ist festzustellen, dass die Zahl von psychisch erkrankten jungen Menschen steigt. Zahlreiche in unserer Kanzlei bearbeitete Mandate belegen, dass eine relativ hohe Zahl psychisch erkrankter Personen im Alter von 18 bis 22 Jahren vorliegt.
Bis es dazu kommt, dass diesen Betroffenen medizinisch und/oder therapeutisch geholfen werden kann, gehen die Familien einen langen und schmerzlichen Weg, der (mangels ausreichender Vorsorgevollmacht) überraschend schnell in eine Betreuung durch einen Berufsbetreuer im Wege der einstweiligen Anordnung münden kann.
Fassungslos nehmen sowohl die Betroffenen als auch die Eltern zur Kenntnis, dass sie ab diesem Zeitpunkt keine Entscheidungsbefugnis über irgendwelche Angelegenheiten - insbesondere die ärztliche Behandlung, stationäre Unterbringung, Klinikauswahl etc. - mehr haben. Einsicht in ärztliche Berichte kann ihnen ebenso verweigert werden wie die Möglichkeit, die Verlegung des Betroffenen in eine andere, möglicherweise besser geeignete Klinik zu betreiben. Besuchsrechte können eingeschränkt oder sogar verweigert werden. Der Hinweis darauf, man solle die "negativen Entscheidungen" einem Berufsbetreuer überlassen, so dass die positiven Erlebnisse zwischen Betroffenen und Eltern überwiegen, wird immer befremdlicher.
Wie kann es dazu kommen?
Grundsätzlich sind Angehörige, die zum Betroffenen persönliche Bindungen unterhalten bei der Auswahl der Betreuerperson zu berücksichtigen und können nur dann zugunsten einer Berufsbetreuung übergangen werden, wenn sich nach einer umfassenden Abwägung aller relevanten Umstände Gründe von ganz erheblichem Geweicht ergeben, die auf die Ungeeignetheit der Angehörigen schließen lassen. Dabei hat das Gericht eine Gesamtschau aller Umstände vorzunehmen, die für oder gegen die Eignung sprechen und eine Prognoseentscheidung dahingehend zu treffen, ob die in Frage stehenden Angehörigen die sich aus der Betreuung ergebenden Aufgaben in Zukunft erfüllen können.
Ungeeignetheit der Eltern, die Betreuung für volljährige Kinder zu übernehmen, wird im Fall von psychischen Krankheiten häufig zum einen damit begründet, sie hätten zu lange "zugesehen", wie sich der Zustand der Betroffenen sukzessive verschlechtert. Zusätzlich seien sie nicht dazu in der Lage (aufgrund enger emotionaler Verbundenheit), notwendige Entscheidungen gegen den Willen der Betroffenen zu treffen.
Verkannt wird dabei vielfach, dass Eltern bis zu diesem Zeitpunkt bereits alles unternommen haben, um zu helfen. Gescheitert sind sie jeweils daran, dass die Betroffenen jede Hilfe bis dato abgelehnt haben, nicht dazu bereit waren, ärztliche oder therapeutische Termine wahrzunehmen oder überhaupt nur einzusehen, dass medizinische Hilfe erforderlich ist. Dieses Verhalten ist in vielen Fällen psychischer Krankheiten geradezu obligatorisch. Hinzu kommt, dass viele Krankheitsbilder fluktuierend sind. Über bestimmte Zeiträume verhalten sich die (vielfach im Haushalt der Eltern lebenden Betroffenen) plötzlich wieder normal, bevor eine erneute Verschlechterung eintritt.
Eventuell aufgrund von eskalierenden häuslichen Situationen herbeigerufene Rettungseinsätze scheitern an der mangelnden Bereitschaft der Betroffenen, sich freiwillig in eine Klinik verbringen zu lassen. Für eine zwangsweise Einweisung liegen die Voraussetzungen regelmäßig (lange) nicht vor, da offensichtlich keine erhebliche Gefahr für Leib und Leben besteht. Die hilflosen Eltern werden sowohl von Einsatzkräften als auch von Ärzten, Therapeuten, sozialen Diensten und Selbsthilfegruppen darauf hingewiesen, dass die Eskalation der Lage abgewartet werden muss, so dass anschließend entsprechende Maßnahmen gegen den Willen der Betroffenen eingeleitet werden können.
Am Ende des Tages sind die Eltern mit Einschätzungen von behandelnden Ärzten, Verfahrenspflegern und Betreuungsbehörden, die - vielfach ohne vollständige Sachverhaltskenntnis - aufeinander Bezug nehmen und die Ungeeignetheit von Eltern zur Betreuungsführung feststellen, konfrontiert.
Währenddessen wird die zwangsweise Unterbringung des Betroffenen verlängert, evtl. werden die Voraussetzungen medizinischer Zwangsbehandlungen geprüft. Die Betroffenen selbst verstehen nicht, was um sie herum vorgeht und warum das Besuchsrecht der Eltern immer weiter eingeschränkt wird, obwohl sie die Hilfe und Unterstützung der Eltern vehement einfordern. Im Gespräch mit Verfahrensbeteiligten werden Betroffene darüber informiert, dass eine Betreuung durch die Eltern nicht in Betracht käme. In der Folge stimmen die Betroffenen der Einrichtung einer Berufsbetreuung zu, ohne über die Konsequenzen adäquat informiert worden zu sein.
Die Eltern stellen fest, dass der Betreuer über 70 Betreuungen führt, persönlich nicht für sie zu erreichen ist und die Betroffenen über den Zeitraum einer bis dato zweimonatigen freiheitsentziehenden Unterbringung bisher einmal besucht haben und fühlen sich absolut hilflos.
Schnelle anwaltliche Vertretung ist in diesen Fällen dringend anzuraten. Dies gilt sowohl für die Angehörigen als auch für die Betroffenen selbst, die unabhängig von ihrem Krankheitszustand dazu berechtigt sind, einen Rechtsanwalt ihrer Wahl zu beauftragen. Auch die Tatsache, dass für die Betroffenen ein gerichtlicher Verfahrenspfleger bestellt wird, ändert daran nichts.
Dieser Beitrag wurde von Frau Rechtsanwältin Susanne Kilisch von der Rechtsanwaltskanzlei Prof. Dr. Volker Thieler - Prof. Dr. Wolfgang Böh - Oliver Thieler Rechtsanwaltsgesellschaft mbH verfasst. rau Rechtsanwältin Susanne Kilisch hat sich auf den Tätigkeitsschwerpunkt Betreuungsrecht und hier insbesondere auf Vorsorgevollmachten, Patientenverfügung spezialisiert. Die deutschlandweit tätige Rechtsanwaltskanzlei Prof. Dr. Thieler - Prof. Dr. Böh - Thieler Rechtsanwaltsgesellschaft mbH ist seit Jahren u.a. auf das Thema Betreuungsrecht und hier insbesondere auf Vorsorgevollmachten, Patientenverfügung sowie die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung in Betreuungsangelegenheiten spezialisiert.
Der Beitrag stellt keine anwaltliche Beratung dar und dient lediglich den Zwecken der Informationsmitteilung.
Sollten Sie Fragen haben, so wenden Sie sich bitte an Rechtsanwältin Susanne Kilisch von der Rechtsanwaltskanzlei Prof. Dr. Thieler - Prof. Dr. Böh - Thieler Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.
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