Der Blick in die verkehrsrechtliche Zukunft - Bericht vom 55. Deutschen Verkehrsgerichtstag 2017 in Goslar
02. Februar 2017
Ein teilnehmender ADAC-Vertragsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht fasst die Themen dieses bedeutendsten deutschen verkehrsrechtlichen Symposions zusammen.
Die geballte anwaltliche Verkehrsrechts-Kompetenz versammelte sich vom 26. bis 27. Januar 2017 in Goslar zum 55. Deutschen Verkehrsgerichtstag.Wie in jedem Jahr ist es ein Pflichttermin für jeden Fachanwalt für Verkehrsrecht, aber auch für Richter, Sachbearbeiter für Versicherungen und Sachverständige. Die fachliche Diskussion aktueller verkehrsrechtlicher Fragen fand in 8 Arbeitskreisen (AK) statt.
7 dieser 8 AK-Themen waren sowohl von hoher praktischer Relevanz für jede verkehrsrechtliche Fachkanzlei, für jeden Verkehrs-Experten als auch - potenziell - für jeden Verkehrsteilnehmer:
- AK I: Fahrverbot als Nebenstrafe bei allgemeiner Kriminalität?
- AK II: Unfallursache Smartphone
- AK III: Senioren im Straßenverkehr
- AK IV: Sicherheit des Radverkehrs
- AK V: Medizinische Begutachtung von Unfallopfern
- AK VI: Abgaskrise - Konsequenzen für Verbraucherschutz und Hersteller
- AK VII: Fortschritt statt Rückzug? Die Rolle der Polizei bei der Verkehrsüberwachung
- AK VIII: Autonome Schiffe - Vision oder Albtraum? Stand der Entwicklung - rechtliche Rahmenbedingungen
So sehr das achte Thema "Autonome Schiffe" nur Spezialisten betraf, so sehr weist es in die Zukunft, wenn man es auf 4 Räder stellt. Sicherlich wird der autonome Kraftfahrzeugverkehr die Verkehrsrechts-Branche und die Verkehrsteilnehmer künftig mindestens so stark beschäftigen, wie heute schon die verkehrstechnische Produktentwicklung.
Zu jedem Arbeitskreis-Thema verfassten die jeweiligen Teilnehmer eine Empfehlung an den Gesetzgeber und die mit dem betreffenden Thema befassten Körperschaften, Forschungseinrichtungen und Unternehmen. Sehr oft finden diese Arbeitsergebnisse des verkehrsrechtlichen Sachverstands Eingang in die verkehrstechnische Produktentwicklung, in die Gesetzestexte und in das exekutive Handeln staatlicher Organe von morgen.
Beispielhaft für den Blick in die verkehrsrechtliche Zukunft aller 8 Abschluss-Dokumente sei hier die Empfehlung des Arbeitskreis II "Unfallursache Smartphone" zitiert:
"- Die Gefahren durch die Missachtung des "Handyverbots" sind unverändert ein in der Gesellschaft unterschätztes Problem. Der Arbeitskreis ist der Auffassung, dass eine gesellschaftliche Ächtung der Nutzung von elektronischen Geräten während des Fahrens erreicht werden muss. Dazu ist eine Kombination von psychologischen, edukativen, technischen und rechtlichen Maßnahmen notwendig.
- Es fehlen nach wie vor für Deutschland verlässliche Zahlen, in welchem Umfang die Benutzung von elektronischen Geräten bei der Teilnahme am Straßenverkehr zu Unfällen führt. Der Arbeits-kreis empfiehlt, eine In-Depth-Unfallstudie in Auftrag zu geben.
- Die Ablenkung im Straßenverkehr muss Thema der schulischen Verkehrserziehung in allen Altersstufen werden. Für die Fahrausbildung sind geeignete Aufgaben wissenschaftlich zu entwickeln und zu evaluieren. Mit Verkehrsaufklärung, insbesondere Kampagnen, soll der Bevölkerung die Verantwortungslosigkeit dieses Verhaltens bewusst gemacht werden.
- Es sollen weitere technische Lösungen entwickelt und bei entsprechender Tauglichkeit verbindlich vorgeschrieben werden, die eine rechtswidrige Nutzung von Kommunikations-, Informations- und Unterhaltungsmitteln durch Fahrende unterbinden.
- Der Arbeitskreis begrüßt die wesentliche Umsetzung der Empfehlungen des Arbeitskreises V des 53. Deutschen Verkehrsgerichtstages im vorliegenden Referentenentwurf zur Änderung des § 23 Abs. 1a StVO. In Satz 1 Nr. 1 sollte die Formulierung in "aufgenommen oder gehalten wird" geän-dert werden. In Satz 1 Nr. 2 b) sollte "erforderlich ist" in "erfolgt" geändert werden.
- Hinsichtlich der Tatfolgen empfiehlt der Arbeitskreis, dass der wiederholt innerhalb eines Jahres auffällig gewordene Täter mit einem Regelfahrverbot und/oder einer Teilnahme an einem Ver-kehrsunterricht nach § 48 StVO belegt wird. Hierneben ist der Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO im Rahmen der Fahrerlaubnis auf Probe als schwerwiegender Verstoß ("A-Verstoß") zu werten.
- Der Arbeitskreis empfiehlt dem Gesetzgeber, sich dem Problem der Ablenkung von Fußgängern durch elektronische Geräte zu widmen." (Zitat Ende)
Hier der Link zum Original-Wortlaut aller 8 Empfehlungen 55.Verkehrsgerichtstag Goslar 2017.pdf. Prädikat "Sehr lesenswert"!
Der Autor Rechtsanwalt Udo Reissner ist ADAC-Vertragsanwalt, Fachanwalt für Verkehrsrecht und Strafverteidiger in der Kanzlei Reissner, Ernst & Kollegen - Augsburg / Starnberg
Schiff Straßenverkehr Verkehrsteilnehmer
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