Ein bürokratisches Monster mit gegenteiligem Effekt
Das von der Bundesregierung "sozial" gedachte und am 05.03.2015 beschlossene "Gesetz zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten", umgangssprachlich kurz "Mietpreisbremse" genannt, geht seit seiner Einführung am 01.06.2015 nach Meinung vieler Fachleute an den Realitäten des Wohnungsmarktes gänzlich vorbei: Es erhöht die Bürokratie und ist durch seine vielen Ausnahmeregelungen ein Gesetz ohne die gewünschte Wirkung.Für Thomas Aigner, geschäftsführender Gesellschafter der Aigner Immobilien GmbH, eines der führenden Maklerunternehmen in Großraum München, ist die staatliche Intervention keine Lösung: "Durch die gesetzlich gedeckelte Miete wird das Angebot an Mietwohnungen nicht größer, sondern geringer. Nur ein größeres Angebot aber kann den angespannten Mietmarkt entlasten."
Aigner sieht sogar den gegenteiligen Effekt: "Vermieter entscheiden sich grundsätzlich eher für den solventeren Mietinteressenten - was in der Konsequenz bedeutet, dass diese zukünftig zu günstigeren Konditionen mieten. Mieter mit geringeren Einkünften werden zu Mietern zweiter Klasse und bleiben auf der Strecke. Der Markt wird weiter verengt." Aigner sieht vor allem das Problem, dass die für die Landeshauptstadt so typische "Münchner Mischung", dass also alle Einkommensgruppen in einem Viertel wohnen können, durch die Mietpreisbremse zusätzlich ausgehebelt wird. "Die Gentrifizierung wird zunehmen - also die Abwanderung ärmerer und die Zuwanderung wohlhabenderer Einkommensschichten in die Stadt", so Thomas Aigner.
Die Umsetzung des Gesetzes liegt in der Entscheidung der Länder. Diese müssen "angespannte Wohnungsmärkte" definieren und ausweisen. So hat die Bayerische Landesregierung am 01.08.2015 euphorisch die Mietpreisbremse in 144 Kommunen eingeführt. Seit 01.01.2016 stehen aber nur noch 137 bayerische Gemeinden auf der Liste. 16 Gemeinden wurden gestrichen, neun kamen hinzu. In den Städten und Gemeinden, in denen die Mietpreisgrenze gilt, darf die Miete bei einer Wiedervermietung nicht bei mehr als 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Bemessungsgrundlage zur Feststellung der ortsüblichen Miete wäre der qualifizierte Mietspiegel. Nur: Einen solchen gibt es in vielen Städten und Gemeinden bisher noch nicht. Es fehlen also mancherorts Bemessungsgrundlagen, um eine Obergrenze festzulegen.
Ein weiterer Punkt, der das Gesetz eher unsozial oder generell überflüssig macht: die Ausnahmeregelungen. Ausnahme eins: Zahlte der bisherige Mieter bereits über 10 Prozent der ortsüblichen Miete, darf vom neuen Mieter die bisher bezahlte Miete weiterhin verlangt werden. Ausnahme zwei: Wohnungen in Neubauten, die erstmals vermietet werden, sind von der Mietpreisbremse ausgenommen. Hier kann der Vermieter einen angemessenen Marktpreis verlangen. Ausnahme drei: Modernisiert ein Eigentümer sein Objekt umfassend und vermietet es danach erstmals wieder neu, dann entfällt auch hier die Mietpreisbremse. Voraussetzung: Der Modernisierungsaufwand muss mindestens ein Drittel der Kosten ausmachen, die der Bau einer vergleichbaren Neubauwohnung gekostet hätte. Dann kann der Vermieter elf Prozent dieser Modernisierungskosten pro Jahr auf die bisherige Kaltmiete aufschlagen.
"Was das für einen Effekt gerade an den "angespannten", hochpreisigen Standorten hat", so Thomas Aigner, "kann man sich an einer Hand ausrechnen: Wer es sich leisten kann, investiert in eine Luxussanierung und holt sich die Kosten über die Miete von solventen Mietern zurück. Der vom Gesetzgeber mit Pauken und Trompeten angekündigte "soziale Effekt" des Gesetzes geht auch hier nach hinten los und benachteiligt in Wahrheit diejenigen, für die die Mietpreisbremse eigentlich gedacht war." Andere Immobilienexperten sehen das Gesetz ebenso kritisch wie Thomas Aigner. Der Münchner Haus- und Grundbesitzerverein sieht zahlreiche juristische Mängel im Gesetz und hat deshalb Klage beim Bayerischen Verfassungsgericht eingereicht.
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