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Annika sprach nicht in der Schuleingangsuntersuchung: nun soll sie auf eine Förderschule - selektiver Mutismus

Mutistische Kinder finden oft nur schwer Freunde in der Schule Mutistische Kinder finden oft nur schwer Freunde in der Schule

Kinder, die unter selektivem Mutismus leiden, sind in bestimmten Situationen unfähig zu sprechen. Sie sind organisch gesund, doch Angst blockiert sie. Richtig behandelt, ist Mutismus heilbar.

Starnberg, 09.01.2017 - Nach der Schuleignungsuntersuchung von Annika schrieb der Amtsarzt: "verhaltensauffällig, ängstlich, spricht nicht". Den Eltern wird zu einer Förderschule geraten. Schon im Kindergarten sprach sie weder mit den Pädagogen noch mit den Kindern. Im Stuhlkreis kam kein Wort über ihre Lippen. Sie sang nie im Kindergarten mit, konnte aber alle Lieder daheim vorsingen. Annika leidet an selektivem Mutismus.

Mädchen sind etwas häufiger betroffen als Jungen. "Es ist wichtig zu wissen, dass es sich um eine psychische Störung handelt", betont Hans Emmerling, Leiter der Praxis für Kinder und Jugendliche mit selektivem Mutismus in Starnberg. Er hat sich seit 20 Jahren auf die Behandlung mutistischer Kinder spezialisiert (http://www.mutismus-therapie.de). Mutismus wird in der internationalen Klassifizierung als psychisch begründete psychosoziale Störung definiert (ICD-10, F 94.0). Zuhause sprechen die Kinder ganz normal, in außerfamiliären Situationen jedoch kaum bis gar nicht. "Eine Schuleingangsuntersuchung durch eine gänzlich unbekannte Person erzeugt zusätzlich Angst, die es einem mutistischen Kind so gut wie unmöglich macht zu sprechen", beschreibt Hans Emmerling das kindliche Dilemma.

Die Sprachhemmung bei der Untersuchung wird oft als Trotz oder als eine mangelnde Bereitschaft zur Kooperation interpretiert. "In vielen Fällen wird den Eltern eines mutistischen Kindes dann nahe gelegt, von der Einschulung in einer Regelschule abzusehen und das Kind stattdessen lieber auf eine Förder- oder Sprachheilschule zu schicken", weiß der Therapeut. Den Eltern ist die mutistische Störung zum Zeitpunkt der Schuleingangsuntersuchung zwar meistens bereits bekannt, aber viele Pädagogen sind mit dem Krankheitsbild nicht vertraut und ziehen daher falsche Schlüsse.

Empfehlungen zu heilpädagogischen oder integrativen Ansätzen mögen gut gemeint sein, zielen bei mutistischen Kindern aber in die falsche Richtung. "Denn beim selektiven Mutismus handelt es sich nicht um eine sprachliche (logopädische) oder kognitive Störung, sondern um eine rein psychisch-emotionale Problematik, welche in Förder- und Sprachheilschulen nicht ausreichend berücksichtigt wird", stellt Hans Emmerling fest. Dies wird auch von einer Untersuchung der Uni Erlangen bestätigt: "Wenn das betroffene Kind ausschließlich logopädisch behandelt wird, kann dies die Symptome sogar verstärken." (Prof. R. Castell, Uni Erlangen, Abt. Kinder- und Jugendlichenpsychiatrie).

In den ersten Schuljahren können mutistische Kinder durchaus gute Noten in schriftlichen Arbeiten erzielen;langfristig kann der Mutismus aber zu Lern- und Leistungsschwierigkeiten führen, da das Sprechen/Fragen zum Wissenserwerb ausfällt. Einige der betroffenen Kinder sind sogar überdurchschnittlich intelligent, können zum Beispiel schon im Kindergartenalter lesen, schreiben und rechnen. Sie kompensieren so quasi ihre sozial-emotionalen Defizite.

"Ich rate den Eltern mutistischer Kinder daher unbedingt, ihren Sohn oder ihre Tochter bei normaler kognitiver Entwicklung auf die Regelschule zu schicken und gleichzeitig eine geeignete Psychotherapie zu beginnen", so Emmerling. In ihrer Praxis erzielen Hans und Irmgard Emmerling mit der von ihnen entwickelten MUTARI®-Methode beeindruckende Erfolge. Dieser multimodale Kurzzeit-Therapieansatz beruht auf einem breiten Methodenwissen gepaart mit Empathie, Wertschätzung und einem tiefen Verständnis für die kindliche Not. So gelingt es in zweimal 3 Wochen und einer dreiwöchigen Integrationspause, dem Kind behutsam einen Weg zu zeigen, wie es ohne "Gesichtsverlust" aus seinem Schweigen heraustreten kann. Bei vielen Kindern zeigen sich schon nach einigen Therapietagen erste Erfolge: sie beginnen zuerst in der Praxis zu sprechen und finden innerhalb weniger Wochen den Weg zu einer ungestörten Kommunikation. Das erklärte Therapieziel ist nicht nur das Sprechen mit dem Therapeuten in der 1:1-Situation, sondern der gelungene Transfer in die Außenwelt wie zum Beispiel in den Kindergarten oder die Schule.

 

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